Eine Fehlstellung ist noch lange kein Beinbruch
Fehlstellungen des Fußes sind ein sehr häufiges Phänomen. Spätestens wenn diese mit Schmerzen einhergehen, ist es Zeit zu handeln. Während einige Fehlstellungen operativ korrigiert werden sollten, ist nicht jeder Plattfuß sofort ein medizinisches Problem.
Der Hallux valgus ist sicherlich die häufigste Fußfehlstellung, die einer Behandlung bedarf", weiß Gerhard Kaufmann, Facharzt der Orthopädie, aus seiner Praxistätigkeit in Innsbruck. „Es handelt sich dabei um eine Fehlstellung des Großzehs mit einer Abweichung nach außen." Ein Hallux valgus macht sich durch starke Schmerzen am Zeh bemerkbar. „Auch am Fußballen unter dem Mittelfußknochen kann es zu schmerzhaften Veränderungen kommen", ergänzt Kaufmann. Einerseits würde bei der Entstehung eines Hallux valgus die genetische Disposition eine große Rolle spielen. Neben der Vererbung sei allerdings häufig die vom orthopädischen Standpunkt aus ungesunde Schuhmode ein wichtiger Begleitfaktor. Auch hormonelle Ursachen könne man nicht ausschließen.
Viel mehr Frauen betroffen
Eindeutig und klar stellt sich aber das Patientenprofil dar. „Neun von zehn Personen mit Hallux valgus sind Frauen. Auch das Alter erhöht das Risiko, Patienten unter 40 sind eher selten." Die Frage, ob heutige Schuhe generell schlecht für den Fuß seien, verneint Kaufmann. Einige Marken hätten sich sogar dem gesunden Fuß, seiner Anatomie und biomechanischen Funktion verschrieben. Allgemein würden funktionelle Schuhe wie Sport- und leichte Bergschuhe den Fuß in seiner natürlichen Form unterstützen. „Herstellern, die nur auf Ästhetik setzen, sind diese Aspekte natürlich egal."
Mit konservativen Maßnahmen – also ohne Messer – kommt man dem Hallux valgus auf Dauer nicht bei. „Einlagen und Schienen sind hier lediglich Symptombekämpfung und verbessern die Fehlstellung nicht", bekräftigt Kaufmann. „Nur eine Operation hat einen korrektiven Effekt und stellt sowohl Optik als auch die Biomechanik des Fußes wieder her." Kaufmann hat selbst eine minimalinversive Operationsmethode entwickelt. „Das Ergebnis nach der OP sind weniger Schmer- zen, eine geringere Schwellung und eine kleinere Narbe."
Knick-, Senk- oder Plattfuß?
Viele Fehlstellungen der Füße werden schon im Kindesalter diagnostiziert. Oft werden Einlagsohlen verschrieben, obwohl diese laut Kaufmann in vielen Fällen gar nicht notwendig wären. „Bei uns haben etwa 10 Prozent der Erwachsenen eine Fußfehlstellung. Die meisten davon haben nie irgendein Problem." Die nach dem Gießkannenprinzip angewandten Einlagsohlen würden oftmals nicht das konkrete Problem adressieren.
Schon die Begrifflichkeiten seien schwammig. „Es gibt keine klare diagnostische Trennung zwischen Knick-, Senk- und Plattfuß", erläutert Kaufmann. „Deshalb wird im Englischen auch ausschließlich der Begriff flat foot verwendet." Ein „flacher Fuß" sei meist vererbt und an sich noch kein medizinisches Problem. Es sei allerdings ratsam, einen Fußorthopäden aufzusuchen, um die individuelle Fußbeschaffenheit abzuklären und gegebenfalls zu therapieren. Raschen Handlungsbedarf gebe es allerdings beim „erworbenen Plattfuß". „Wenn sich der Fuß innerhalb kurzer Zeit optisch verändert und Schmerzen auftreten, sollte man sich ehestmöglich untersuchen lassen", warnt Kaufmann eindringlich. „Ein erworbener Plattfuß kann schnell zu Gelenksabnützungen und schweren Fußdeformationen führen."
Raus aus den Schuhen
Obwohl Vererbung einen großen Einfluss auf Fußfehlstellungen und Fußprobleme hat, ist man mit seinen Füßen auch nicht völlig dem Schicksal ausgeliefert. „Es gibt Übungen, die wirklich bei allen Fehlstellungen positive Auswirkungen haben", sagt Kaufmann. Man könne sich zum Beispiel mit dem Fußballen auf den Rand einer Stufe stellen und mit der Kraft der Zehen den Fuß heben und senken. Klettern sei eine Sportart, die die Füße sehr gut kräftigt. Und gerade im beginnenden Frühling sollte man regelmäßig die Schuhe ins Eck stellen. „Barfuß gehen auf verschiedenen Untergründen ist ein perfektes Training zur Stärkung der Fußmuskulatur." (malu)
Text: Martin Lugger
Das Interview
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